Wieder einmal war ich in Peking zum Klettern. Diesmal wollte ich eigentlich eine neue Route einbohren, aber das Wetter, dass dann doch als ganz passabel war hatte einige Kletterer vergrault - unter anderem auch den mit den Bohrhaken. Somit blieb uns nicht anderes übrig als den ersten Schneefloken zu trotzen und ein bisschen zu Klettern...
Es ist Ende September. Peking steht kurz vor dem 60. Nationalfeiertag. Die Stadt ist in Vorbereitung auf die kommenden Feierlichkeiten. Jeden Abend wird die große Militärparade geprobt, Menschenmengen stehen auf dem Tian An Men Platz um zu “schauen“. Der Himmel hat die Farbe eines französischen Milchkaffees angenommen und es ist schwül als wenn es jeden Moment regnen wird. Dass es regnen wird hat auch der Wetterbericht schon für die letzten Tage prophezeit, jedoch hielt sich die braune Suppe erstaunlich lange über Peking und die Pekinger Kletterer haben beschlossen heute nicht nach Baihe zu fahren, wodurch mein großes Projekt heute erst einmal ruhen muss, morgen ist aber auch noch ein Tag! Meine Pläne sind ein bisschen durcheinander geraten und so stehe ich jetzt Auge in Auge mit Mao, wie auch viele Andere, die nichts Besseres zu tun haben.
Heute morgen lief wieder einmal alles wie am Schnürchen. Die chinesische Bahn war wieder pünktlich 6 Uhr am Hauptbahnhof an (die Deutsche Bahn ist in diesem Zeitalter noch nicht angekommen) und ich kroch ausgeruht aus dem Schlafwagen und beschloss, mir erst mal eine Jungenherberge rauszusuchen, alles kein Problem. Einchecken, Frühstück, Zähneputzen und ab zum Himmelspalast, eine der Hauptsehenswürdigkeiten von Peking und auch die Spielwiese für so viele Chinesische Rentner, die hier Tai Chi oder verschiedene Tänze praktizieren sowie andere Frühaufsteher, die sich mit den Füßen eine Art Federball zuspielen. Im Himmelspalast tummelten sich noch wenige Touristen und ich hatte viel Zeit, mir die imposante Szenerie anzuschauen. Alles ist im chinesisch kaiserlichen Stil gebaut: riesige Steinerne Plätze, rechteckige Arrangements verschiedener herrschaftlicher Gebäude und im Zentrum das Hauptgebäude, eine Art Tempel.
Die Idee, das Fahrrad auszuleihen, um damit die Stadt zu erkunden und das Schlendern weniger anstrengend zu machen erweist sich als sehr gut. Ich umrunde die Verbotene Stadt und schaue mich ein bisschen in den Touristenvierteln um, während mein Inneres sich mit dem Projekt beschäftigt und der Tatsache, dass es heute ja offensichtlich doch nicht regnet. Das Projekt – der Gedanke an die Erstbegehung beschäftig mich schon eine ganze Woche, nachdem mir Tian Kong die noch unbestiegene Linie das erste Mal gezeigt hat und ich erfolgreich die erste Seillänge frei durchsteigen konnte.
Sonntag habe ich mich mit Danny verabredet. Er weiß, dass wir heute morgen da raus fahren müssen, das Ding muss heute geknackt werden. Dameimao, die Route die bisher nur im Aid-Stil (mit Verwendung technsischer Hilfsmittel) begangen wurde – heute soll die “große Augenbraue“ endlich fallen. Die zweiten Seillänge ist der Schlüssel, wenn jetzt alles gut läuft, dann ist das Ding in der Tasche. Risstechnik setzt eine gewisse Kaltblütigkeit voraus, einen gleichmäßigen Bewegungsablauf zu beherrschen und dabei auf die selbstgelegten Zwischensicherungen zu vertrauen. In diesem Fall ist der Riss überhängend und vollkommen glatt, doch die Zwischensicherungen sind alle solide. Die Hände klemmten bisher saugend, doch jetzt öffnet sich der Schlund und ich finde kaum noch Halt – fast wäre ich gefallen. Meine Faust verkeilt sich gerade noch rechtzeitig und ich kann erleichtert die letzten Meter bis zum zweiten Stand gehen. Die Zweite Seillänge ist geschafft!
Etwas später berühre ich endlich den Boden wieder. Ich habe auch noch die 3. Seillänge durchstiegen und somit die Route als erster “frei“ gegangen. Zufrieden überlasse ich Danny die Entscheidung, wo wir als nächstes zusammen klettern – nur nicht zu schwer.
Zurück vom Klettertrip, treffe ich Antje und Andreas in Peking. Es ist nach wie vor sehr warm, 37°C, man arrangiert sich…
Am ersten Tag irrlichtern wir durch das Stadtzentrum. Wir wandeln über historische Böden: Tiananmen Platz – Platz des Himmlischen Friedens und die verbotene Stadt. Vorbei am Mao Mausoleum. Mao ist hier immer noch sehr präsent. Die Architektur auf dem Platz ist protzig, so wie man es aus den 60ern kennt. Zur Abkühlung werden einige wohlgeformte Bäuche in den leichten Luftzug gehalten – der Bauch als Statussymbol.
In der Verbotenen Stadt finden wir ein schier unendliches Labyrinth an traditionellen Chinesischen Herrscherhäusern die die früheren Kaiser für verschiedenste Gelegenheiten nutzen. Jedes Haus, jedes Relief und jeder Stein erzählt eine Geschichte. Doch irgendwann sind wir gesättigt und lassen den Tag im Park und später im Restaurant ausklingen.
Die Große Mauer steht nun auf dem Programm. Ca. 60km außerhalb von Peking nach 2 Stunden Busfahrt stehen wir am Fuße dieses Monumentes. Während des Mauerspaziergangs in der Hitze haben wir Gelegenheit diesen gigantischen Bau hautnah unter unseren Füßen zu spüren. Es ist schon eine gewaltige Bauleistung, die hier vor etwa 2000 Jahren begann und durch ganz China fortgesetzt wurde. Die Gebirgslandschaft Badalings “untermauert“ die Vorstellung von menschlicher Anstrengung nochmals. Leider sind wir am populärsten Abschnitt der Chinesischen Mauer. Deswegen müssen wir uns mit den Touristenmassen mitbewegen. Es gibt aber noch andere Mauerabschnitte in landschaftlich reizvollerem Gebieten, die bereits mein Interesse geweckt haben.
Die Ming Gräber sind Überbleibsel der langen chinesischen Kaiser Dynastie. Die Relikte befinden sind innerhalb mehrerer Parkanlagen mit denen wir es in der größten Mittagshitze aufnehmen. Kuturgesättigt fahren wir nach Peking zurück.
Am Abend werden wir von Antjes netter chinesischer Kollegin zum Essen eingeladen. Es gibt chinesisches Allerlei, super lecker! Das Ende des Abends gerät außer meiner Kontrolle. Ich werde zum hierzulande (und bei Antje und Andreas) sehr beliebten Volkssport KARAOKE genötigt. Zu Glück gibt es auch Bier auf der Karte…
Am letzten Tage klappern wir noch den Sommerpalast, eine schier endlose Parkanlage im konfuzianischen Stil (hoffentlich lehne ich mich damit nicht zu weit aus dem Fenster), ab. Die Gebäude strahlen alle eine erhabene Eleganz aus, die erahnen lassen, wie sich die Kaiser hier jeden Sommer haben verwöhnen lassen.