Drei Tage fast nur arbeiten und wenig klettern. Und nun ist es fast vollbracht. Eine neue Route ist eingerichtet: 4 Seillängen vom 6. bis zum 8. Grad. Die Erstbegehung wird wohl in kürze folgen. Den Sektor haben wir schon nach der prominenten Felsstruktur ganz oben benannt: "The Big Bud". Wie nenne ich die Route bloß?
Eine große 400kg Platte musste unserer Route weichen. Sie war zu gefährlich um als "Griff" beim Klettern gebraucht zu werden.
The crux of “The Big Eyebrow“ is reaced, in the roof crack hands and feet jamed pritty good, but now I need to use layback technique. The feet are stemming agains the plain granite wall, my right hand cams into the widening crack and provides much needed counterpressure. Now the left hand is free to set the #4 placement, the body is strained like a guitar string, don’t slip now, hold the balance, put the placement properly, metal is rattelig on the rough and edged crack, foot holds are still working, sweat is running down the face. I clip the rope carefully into the piece, take a deep breath and continue. The dihedral suddently provides good foot holds and is less overhanging, relaxed climbing until the next anchor.
Katariina can follow now. She pushes herself very hard on the small holds in the first pitch. I hear finnish swear words, the crux is taking their toll.
Today we want to establish a new route after the long traverse of the third pitch. The 28m wall is looking very attractive with its flakes, cracks and corners, I want to do a toprope attempt.
At the end of this beautiful June weekend it is done, “Scarface”, 5.12b, has been bolted and first ascended. I lean back satisfied and decide to have a swim in the white river this evening.
Für alle zu Hause:
Die Schlüsselstelle von “The Big Eyebrow“ ist erreicht, im Rissdach klemmen Hände und Füße noch gut, doch jetzt, muss Piaztechnik (sächsisch: Hangeln) angewendet werden. Die Füße stemmen sich gegen die glatte Granitwand, die rechte Hand verhakt sich im öffnenden Riss und erzeugt den nötigen Gegendruck. Nun ist die linke Hand frei, um den 4er zu setzen, der Körper ist angespannt wie eine Gitarrensaite, nur nicht abrutschen, Gleichgewicht halten und die Sicherung sauber setzen, das Metall klappert im rauhen kantigen Riss, die Füße stehen noch, Schweißtropfen laufen über die Stirn. Vorsichtige hänge ich das Seil ein, durchatmen, jetzt kanns weitergehen. Die Verschneidung bietet plötzlich Tritte und hängt weniger über, Genusskletterei bis zum nächsten Stand. Kathariina kann nun nachkommen. Sie müht sich an den kleinen Tritten und Griffen in der ersten Seillänge hoch. Ich höre finnische Flüche, die Schlüsselstelle fordert ihren Tribut.
Am Ende der langen Traverse soll eine neue Route entstehen, technisch läßt sich die dritte Seillänge sehr entspannt und ohne größere Plessuren überwinden. Die 28 Meter Felswand darunter mit ihren Platten, Rissspuren und Kanten sieht so verlockend aus, dass ich einen Toprope-Versuch wagen möchte.
Am Ende dieses schönen Juni Wochenendes ist es vollbracht, “Scarface“, 5.12b, ist mit Bohrhaken eingerichtet und erstbegangen. Zufrieden lehne ich mich zurück im Schatten und beschließe am Abend schwimmen zugehen im weißen Fluß.
I am back again in Guoliang and again I am climbing on the marvellous red quartzite. Together with my congenial partner Chris I tackle Gumps project “Babel” (we are the first ascenders of the 3rd and 4th pitch). Though, before I have a “welcome to Guoliang experience” in the 2nd pitch. After a steep step I stand up statically with my feet on tiny holds, the climbing is not hard, I am relaxed, my weight now concentrades on the big hold in my left hand, which breaks in that moment… A short moment of panic, I am trying to stay in the ring like a tumbling wrestler when the gravity drags me down ruthlessly, my hands are hailing through the air, I see the rope strand going through the last piece of proctection maybe 4 meters below, so faaaarrr, my feet are now dangling through the air. “The last piece was a 0.4 inch cam, as thick as a finger” flickers through my head before a helpless scream leaves my throat…
Guoliang is famous for its road which the villagers hammered through the rock by risking their lives back in the 70’s . It is evening and we are sitting on the Kang (a bed on top of a stove) of the previous village chief who proudly tells us his story, the story of his live, the story of one village, which in a period of dictatorship and overbearing found is way out of the struggle in isolation. A dusty whiff of the past hangs in this old house. The walls are pasted with old news papers and propaganda posters and some Mao and Deng Xiao Ping pictures. The room is located in the back yard of the small manor which perhaps the party provided him. Chris political research gets stuck in the monologue of the old man who is so moved by his own story that most of her questions remain unanswered. Thought, is fun to listen to him.
Again one of these great days in Guoliang: the sun is shining, my ankle has fully recovered from my 12 meter screamer and the gravity doesn’t seem to be too strict with us today. I am in the 2nd pitch of “Exodus” the 4th of the biblical multipitch routes after “New Testament”, “Babel” and “Old Testament”. I eyeballed this overhanging part with the binoculars the last days and thought “Could we make it?” Now is the moment of truth, I move my self up slowly out of the hand crack onto the arête, my knees are rattling, I take a deep breath and enjoy the feeling of the exposure, I have to place a piece here -just for my head. I continue on crimps and back into the crack – but it is not over. The crack serpentines up elegantly and I am running out of protection. I am stopping at the small ledge and motivate Chris via radio to follow.
Only a giant rock which burst like a bomb at the deck was tossed down by me, we didn’t leave any other traces or material on this wall, our first ascend is a fair duel where only our skills and our will count, we alone against the 150 meter giant of rock, like Mosses against the natural hostilities.
The next pitch is testing us again. The overhanging crack suddenly shrinks to a seam and forces me onto the wall. Again I need to hold on small crimps before my hand can suck back into the handcrack. After a nice chimney, a marvellous dihedral with roof crack and cool wall and crack climbing we reach the top of the buttress at dusk. The hotel is luckily just around the corner, today we will have self-made Ricotta spaghetti (I promised that a couple of times to Chris today).
Und nun an alle Daheim:
Klappe, die Dritte! Wieder bin ich zurückgekehrt nach Guoliang, wieder klettere ich am fantastischen rotem Quarzit. Zusammen mit meiner kongenialen Partnerin Chris knacken ich am ersten Tag Gumps Projekt “Babel“ (wir sind die Ersten die 3. und 4. Seillänge frei begehen). Doch zuvor gibt es ein „Willkommen in Guoliang Ereignis" in der 2. Seillänge: Nach einer Steilstufe richte ich mich statisch auf, meine Füße stehen auf kleinen Tritte, die Kletterei ist nicht schwer, ich bin entspannt, mein Gewicht konzentriert sich jetzt auf einen großen Griff in meiner linken Hand, der in diesem Moment einfach abbricht… Ein kurzer Moment des Schreckens, wie ein taumelder Ringer versuche ich vergeblich im Ring zu bleiben bevor die Schwerkraft gnadenlos an mir saugt, Hände wedeln hilflos in der Luft, unter mir sehe ich den Seilstrang durch die letzte Zwischensicherung gehen , vielleicht 4 Meter, so weeeeiiiit unter mir, meine Füße flattern inzwischen in der Luft. Die letzte Zwischensicherung war ein 0.4 inch Cam, so dick wie ein Finger, schießt es durch meinen Kopf bevor ein hilfloser Schrei meiner Kehle entspringt …
Guoliang ist berühmt für seine Straße, die die Dorfbewohner in den 70ern unter Einsatz ihres Lebens in den Fels gehämmert haben. Es ist Abend und wir sitzen auf dem Kang (ein Bett auf einem Ofen) des früheren Dorfvorsitzenden, der uns stolz seine Geschichte erzählt, die Geschichte seines Lebens, die Geschichte eines ganzen Dorfes, das in einer Zeit der Diktatur und Unterdrückung seinen Weg aus der Abgeschiedenheit fand. Es liegt ein staubiger Mief der Vergangenheit in diesem alten Haus. Die mit alten Zeitungen und Propaganda Plakaten tapezierten Wände zieren immer wieder Bilder von Mao und Deng Xiao Ping. Das Zimmer liegt in hinteren Gebäude im Hof des kleinen Anwesens, das ihm früher wahrscheinlich von der Partei zugewiesen wurde. Chris’s politische Recherche verläuft leider im Sande, der alte charismatische Mann ist so von seiner Geschichte bewegt, dass meisten Fragen kaum beachtet werden. Es macht uns aber Spaß dem alten Mann zuzuhören.
Es ist wieder einer dieser großartigen Tage in Guoliang: die Sonne scheint, mein Fußgelenk hat sich vollständig von dem 12 Meter Flug erholt und die Schwerkraft scheint es heute auch nicht ganz so ernst mit uns zu nehmen. Ich bin in der 2. Seillänge von “Exodus“, die vierte. biblischen Mehrseilängentour nach “New Testament“, “Babel“ und “Old Testament“. Diesen überhängenden Abschnitt habe ich in den vergangenen Tagen lange mit dem Fernglas betrachtet –„ob wir das wohl schaffen werden“ habe ich gedacht. Jetzt ist der Moment der Wahrheit gekommen, langsam schiebe ich mich aus dem Handriss auf die Kante, die Knie zittern, ich hole tief Luft und genieße das Gefühl der Ausgesetztheit, hier muss eine Zwischensicherung rein - nur für den Kopf. Weiter geht es über Leisten und zurück in den Riss – es ist aber noch nicht vorbei. Elegant schwingt sich das Risssystem aufwärts, meine Zwischensicherungen gehen langsam aus. Auf dem kleinen Band mache ich stand und motiviere Chris über das Walkie Talkie zum Nachkommen.
Nur einen großen Felsbrocken, der wie eine Bombe am Wandfuß unter Getöse zerberstet, schubse ich hinunter, sonst hinterlassen wir keinerlei Spuren oder Material an diesem Felsen, unsere Erstbegehung ist ein faires Duell, in dem nur unser Können und unser Willen zählen, wir alleine gegen den 150 Meter großen Giganten aus Stein, wie Moses gegen die Naturgewalten.
Die nächste Seillänge stellt uns erneut auf die Probe. Der überhängende Riss wird plötzlich kleiner und zwingt mich auf die Wand. Wieder sind kleine Leisten zu halten bevor meine Hand sich erneut im Handriss festsaugen kann. Nach einem netten Kamin, einer grandiosen Verschneidung mit Rissdach und verwegener Wand- und Risskletterein erreichen wir in der Dämmerung den Ausstieg des Pfeilers. Das Hotel ist zum glück gleich die Straße runter, heute wird es wieder selbstgekochte Ricotta Spagetti geben (das musste ich Chris heute mehrfach versprechen).
Leise rattern die Fenster als eine weitere Windböe vom gelben Meer an unseren kleinen Pavillon wackelt. Es ist Mittagszeit und wir sitzen hier in diesen kleinen Raum, den die Sonne durch die vielen Fenster gemütlich warm aufheizt. Draußen war es stürmisch und kalt. Der Frühling hält sich noch zaghaft zurück im nördlichen China. Inzwischen sind es immerhin schon 16 Grad tagsüber und im Gegensatz zu Nordeuropa ist es im Frühling trocken, doch die jetzigen Windverhältnisse erlauben es nicht ohne lange Unterwäsche das Hotelzimmer zu verlassen, um an den fantastischen Granitwänden zu klettern. Leise klappernd die 6 Würfel auf dem Tisch. Ich nehme die 2 Zweier und würfle noch einmal. Chris schaut mich fragend an, weil wir gerade in der Einführungsrunde des deutschen Würfelspiels sind und sie noch nicht meine Taktik durchblickt hat. Die Hände schmerzen heute sehr von den letzten Tagen, die wir ausschließlich mit Rissklettern verbracht haben. Gestern hat der “Sachsenriss“, ein 90m langer Schulterriss, einiges an Energie gekostet. Die Erstbegehung hat uns schlappe 9 Stunden gekostet, nicht wegen der Materiallogistik oder dem Einrichten von Sicherungs- und Abseilständen. Nein. Es war schwerstes Risshandwerk, was besonders gut an Orten wie Yosemite oder in Sachsen erlernt werden kann. Heute ruhen wir uns aus und holen das Studieren von chinesisch nach und spielen zur Abwechslung nun auch “Heckmeck“. Kein Tag verging in Qingdao ohne eine Erstbegehung. Der Granitfels in Qingdao bietet oft fantastische Risslinien, die meist gut abzusichern sind, die Wände sind dagegen meist glatt und abweisend.
Vor meinem Abflug nach Qingdao habe ich noch befürchtet, zu wenig Felsen für eine Woche vorzufinden, weil der hiesige Kletterführer ja so dünn ist. Der Grund liegt aber an Mangel an Kletterern die Neurouten einrichten. Die kleine Klettergemeinde in Qingdao war so freundlich, uns genug Bohrhaken für unsere Neurouten zu überlassen. Das Potenzial, das wir hier fanden, ist so gewaltig, dass es einige Tage braucht, um einen groben Überblick über die hiesige Felswelt zu bekommen. Wir haben uns auf die Umgebung unserer Unterkunft beschränkt, in der es genug Granit für einige hundert Neurouten gäbe. Das kalifornisch - sächsische Team hat sich auf das traditionelle Absichern von Routen und die Erschließung von Unten geeinigt. Somit wurden von uns die letzten Tage mehrer Kilo Keile, Friends, die Bohrmaschine und Seile durch die Gegend von Yangkou geschleppt. Unseren größten Sicherungsgeräten, den Big Pro’s, haben wir liebevoll die Namen Bruce, Kyle und Andrew (je nach der Körpergröße unserer Freunde) gegeben. Fred heißt unser riesiger Materialsack, den Chris irgendwie aus Peking mitgeschleppt hat.
Nun kommt endlich das Mittagessen, es ist inzwischen schon halb drei. In Qingdao sind Muscheln sehr beliebt und heute leisten wir uns einen Teller Austern mit Gemüse. Die Muscheln werden meist nur gegart und kommen dann frisch und lecker zum Aufknacken auf den Tisch. Es ist in Qingdao übrigens schwer ein Gericht ohne Fisch zu bekommen. Da wir beide ja eingeschworen auf die westliche Küche sind, besuchten wir eines Abends das einzige deutsche Restaurant in der Innenstadt. Qingdao war übrigens zwischen dem späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert ein deutsches Schutzgebiet. Heute sind nur wenige Spuren aus dieser Zeit zu finden, unter anderem das wohl berühmteste Bier in China: Tsingdao. Die Stadt strahlt trotz des Immobilienwahns des modernen Chinas eine gelassene Gemütlichkeit aus nicht zuletzt aufgrund der sauberen Seeluft und des Bergpanoramas. Wir haben noch einige Tage vor uns, die wir nutzen werden, solange die Hände noch können…
Shuangqiaogou heißt das Tal in dem sich die Freunde des Eiskletterns im Winter treffen, das chinesische Neujahrsfest feiern und dabei natürlich auch ihrem Hobby frönen. Rinnen tragen das Wasser aus den über 5000Meter hohen Bergketten ins Tal, wo das Wasser seine vertikale Pracht in Form von Eiswänden präsentiert. An Formen und Variationen mangelt es dabei wahrlich nicht. Einige Wasserfälle erreichen bis zu 300 Meter Höhe und können schon mal einen ganzen Klettertag in Anspruch nehmen.
Zur Geographie – Das Gebirge hier ist nach der Bergkette der “Vier Frauen Berge – Siguniang Shan“ (6250m) benannt. An diesem Punkt hat der Gebirgszug, der weiter im Westen wie eine Sichel den indischen Subkontinent von China trennt und an dieser Stelle dann Himalaja heißt, seinen Anfangspunkt. Hier in der Provinz Sichuan erhebt sich das chinesische Flachland zum tibetanischen Plateau. Kulturell und religiös beginnt hier ein Übergang zwischen den Han-Chinesen und der tibetanischen Minderheit. Das Tal, in dem wir wohnen liegt auf einer mittleren Höhe von etwa 3500 Metern. Viele der Einwohner sprechen tibetanisch, Straßen und Ortsbezeichnungen sind Zweisprachig verfasst.
Eine Woche sind wir jetzt schon hier und jeder Tag bringt neue Erlebnisse und weiter Routen, die ich selbst vorsteigen kann. Zusammen mit Kyle, Andrew und Bruce habe ich beschlossen die legendäre Route Dragons Breath zu probieren. Bruce hatte schon im Vorfeld meine Vorstiegsambitionen ausgebremst, als er mir mitteilte, dass die Route wohl dieses Jahr viel schwerer sei als letztes Jahr “wohl mindestens WI6+“ sei. Somit beschloss ich Kyle den Vortritt zu lassen und als Mitglied des Dreierteams den Aufstieg zu wagen. Andrew ist ein professioneller Fotograf und filmt und fotografiert unser Vorhaben. Jede der Seillängen fordert unser Können besonders heraus: der Überhang am Anfang der dritten Seillänge ist schwer überwindbar. Die Axt fliegt wieder krachend ins Eis. Doch das Eis bietet keinen Halt, sondern splittert. Ein weiterer Schlag klemmt den Pickel zwischen zwei Eiszapfen ein. Ruckartig teste ich den Halt – Ok ich kann belasten und kurz durchatmen. Der nächste Schlag der Rechten lässt einen langen dicken Eiszapfen ausbrechen und mit Getöse herunterfallen. So schwer hatte ich mir das nicht vorgestellt. Wie gut das unser Meister des Eiskletterns die Führung übernommen hat. Ich weiß nicht ob meine Nerven diesem Vorstieg gewachsen währen. Kyle hat an Eisschrauben nicht gespart. Nahezu alle 2 Meter finden sich seine Zwischensicherungen, die aufgrund der Eisqualiät bestimmt nicht alle halten würden. Nachdem ich den dünnen Eisvorhang passiert habe, geht es vertikal an Zapfen weiter. Andrew ist irgendwie an der Seite des Massives hochgekraxelt und hängt jetzt an seinem Statikseil über Kyle und film mich beim Überwinden der letzten Passage bevor ich den Stand erreiche.
Inzwischen ist das chinesische Neujahrfest angebrochen. Überall kommen Familienmitglieder zusammen, zünden Feuerwerke. Trinken und Essen wird in dieser Woche nur durch Schlafen und feiern unterbrochen. Die Stimmung ist überall ausgelassen und es wird kräftig gefeiert. Wir sind mittendrinn in dem Feierlichkeiten und genießen die nette Atmosphäre. An meinem heutigen Pausentag werde ich mehr oder weniger genötigt, mit der Familie unseres Gastgebers Taoshan zu speisen. Die Tische brechen fast zusammen unter der Vielfalt der Speisen. Einige Leckerbissen wie Schweinedarm, Hühnerköpfe, Rindermagen oder Hühnerfüße sowie literweise Klaren Schnaps konnte ich mit Geschick ausweichen, morgen soll es schließlich weitergehen mit dem Eisklettern.
Heute haben ich und Chris, die Amerikanerin, die auch Chinesisch lernt und gerne als Chinesin verwechselt wird, Dannys Freunde auf eine Eistour mitgenommen. Danny hat uns mitgegeben, wir sollen die Jungs mal ordentliche Eisfälle hochjagen. Gesagt getan - wir stehen mitten im Wald an einem der Eisfälle, die ich erst gestern durch das Dickicht entdeckt habe. Es ist heute ausgesprochen kalt und es schneit zeitweise (in den ersten Tagen hatten wir manchmal über 10 Grad in der Sonne!). Die Wälder hier sind einzigartig. Auf bis zu 4000 Metern Höhe findet man noch üppige Vegetation, dichtes duftendes Moos, das auch in den Ästen der Bäume wächst. Schafe und Yak und sogar Wildschweine freuen sich hier ihres Lebens.
Die ersten 3 Eisstufen weisen sehr brüchiges und steiles Eis im 4. Schwierigkeitsgrad auf, die Jungs sind begeistern. Weiter geht’s den Flusslauf hinauf zu einem weiteren Eisfall. Uns wird schnell klar, das der oberste Teil des Eises zu dünn ist, um Eisschrauben zu setzten und wohlmöglich klebt das Eis auch schon nicht mehr richtig am Felsen - aber egal, ich will das Ding wenigstens bis dahin klettern. Mich empfängt blumiges Eis am Anfang, das sowohl nass als auch brüchig ist – komisch. Jetzt kommt die Steilstufe, das Eis wird noch brüchiger. In Zentimeterarbeit navigiere ich meine Eisgeräte und die Steigeisen durch diesen Protzelanladen und setzte eine Eisschraube nach der anderen. Neben mir ragt ein Stück Fels aus dem Eis und ich sehe, das hier das Eis nicht mehr mit dem Fels verbunden sonder unterhöhlt ist. Noch vorsichtiger geht es weiter, einen Fuß auf soliden Fels, die letzten Eisschrauben setzend. “Und wo setze ich jetzt den Standplatz?“ fährt es mir durch den Sinn als ich die Steilstufe überwunden habe. Nein, diesem Eis ist auf keinen Fall zu trauen, hier müssen Felssicherungen verwendet werden. Die Steigeisen kratzen ächzend auf dem Fels als ich einen Felsblock erklimme, den ich für diese ehrevolle Aufgabe auserkoren habe. “Off Belay!“ hallt es durch den Wald.
Zurück in Chengdu, Kyle, die zwei Andrews und ich leihen Fahrräder und ab geht es durch den Dschungel der Hauptstadt von Sichuan. Die Tour führt uns vorbei am überfüllten Hauptbahnhof, wo tausende Reisende nach dem Frühlingsfest zurückkehren, vorbei an der Mao Statue und an belebten Einkaufsstraßen im Alltagsgewühl. Unterweg wird noch ordentlich Tee eingekauft und wir kehren zusammen zum Sichuan Hotpot ein. Bis 1:00 Uhr Nachts dauert unsere erlebnisreiche Tour durchs Nachtleben. Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen von Sichuan und von den Freunden, die wieder nach Hause fliegen. Ich habe auf jeden Fall einen Grund wiederzukommen, vielleicht schon bald, wenn die großen Wände, die Big Walls, frei von Eis und warm sind…
Zurück im Büro muss ich mich wohl morgen den unangenehmen Fragen unterziehen, was ich am Wochenende in Peking treiben würde. In der letzten Woche hatte schon ein aktenordnergroßer Eisbrocken eine Schmarre auf meiner Wange hinterlassen. Irgendwie konnte ich das Thema geschickt auf die Tagesaufgaben lenken. Diesmal sind, wenn auch kleinere Kratzer auf Nase und Schläfe, neue dazu gekommen. Wie auch immer, ich habe ja noch Zeit zum Überlegen. Überlegen, ja, außerdem muss ich etwa 50kg Gepäck nach Chengdu Anfang Februar bringen. Dazu gehören die Eisausrüstung, Alpinausrüstung, Kletterausrüstung, Klamotten und und und. Die Gedanken kreisen um die nächste Tour: Sichuan – Siguniang Shan… da war ich doch letztes Jahr zur gleichen Zeit schon. Die Vorfreude ist da und das Training beginnt hier im Pekinger Eis mit Freunden aus der Pekinger Kletterszene. Chris habe ich auch hier kennen gelernt, eine amerikanische Big Wall – Expertin, die sich jetzt auch in China herumtreibt. Außerdem haben sich noch Kyle, Bruce und einige andere Spitzenleute aus der internationalen Szene angekündigt. Ich kann es kaum noch erwarten…
Das Eislaternenfest ist eines der Höhepunkte des Jahres im abgelegenen Städtchen (3,3 Millionen) Haerbin im Nordosten Chinas. Die Provinzhauptstadt von Heilongjiang liegt etwa 300km nördlich von Changchun. Da das Termometer hier auch ganz gern mal unter die 30 Grad Marke fällt und es den ganzen Winter über eisig kalt ist, wurde wohl genau diese Stadt für dieses Fest ausgewählt und gehört somit zu den vier weltgrößten Austragungsorten dieses Spektakels. Wer sich unter Eis und Schneeskulpturen Schneemänner und dergleichen vorstellt, denkt ein bisschen zu klein: hier verewigen sich Künstler aus aller Welt an onmibusgroßen Skulpturen bis zur Größe ganzer Gebäude und lassen dabei nichts an Kreativität fehlen. Natürlich ist Mao auch mit dabei und einige patriotische Prachtbauten drängen sich dem Auge des Besuchers doch auf, jedoch begeistert uns der Schneeskulpturenpark und wir vergessen die Kälte, die so langsam durch die Unterwäsche kriecht und an den Knochen nagt. Ein kurzer Aufwärmstopp in einen Kaffee – wovon es in Haerbin eindeutig zu wenige gibt, gibt uns neue Kraft für den Eisskulpturenpark bei Nacht. In Haerbin kann man unschwer den Einfluss der vielen russischen Einwanderer sehen –einige Spitztürmchen und orthodoxe Kirchen bezeugen das sehr eindrucksvoll.